Das Egoprogramm des Menschen bewirkt, dass er den Ast absägt, auf dem er sitzt. Das gilt für das Individuum, für die soziale Gruppe und für die Weltbevölkerung. Indem wir uns und der Erde alles Mögliche antun, um unser kleines Ich zu retten, weil wir unseren spirituellen Kern nicht kennen, erreichen wir das genaue Gegenteil. Wir zerstören nicht nur unsere private Lebensgrundlage, sondern auch die aller anderen. Wir zerstören unsere Körper mit Alkohol, Drogen und Nikotin, wir zerstören Böden, Atmosphäre, Wälder, Gewässer, Ehen und andere soziale Beziehungen, soziale Gruppen wie Arme, Unberührbare, Minderheiten wie Roma und sogar ganze Völker wie Aborigines, Hutus oder Rohingya. Dies alles tun wir nur aus (unbewusster) Angst. Das Paradoxe ist, dass wir, weil wir uns retten wollen, unsere Rettung verhindern. Die einzige Rettung wäre, dass wir das Denkprogramm, dass wir selbst uns retten müssten, aufgeben, die Rettung unserer inneren Essenz überlassen und uns zugleich um die Rettung anderer kümmern. Das setzt aber voraus, dass wir den verloren gegangenen Draht nach innen suchen und unsere Ego-Kämpfe unterlassen. Deshalb kümmern sich die Wissenschaften auch nur darum, das Ego gesünder zu machen, anstatt es abzuschaffen. Durch das Streben nach Selbsterhalt verhindert das Ego seinen Selbsterhalt.
Diesen an sich recht einfachen Zusammenhang zu erkennen ist deshalb so unendlich schwer, weil wir – wie es die Schöpfungsgeschichte etwas blumig ausdrückt – im „Reich von Gut und Böse“ leben: Denn konkret gesagt geht der Kampf um den Selbsterhalt a) eben auch oft „gut“ aus, obwohl er b) nicht nachhaltig funktioniert, was man aber nach einiger Zeit vergisst oder den Zusammenhang nicht erkennt und c) er immer von Schmerz, Qual und Strömen von Blut gekennzeichnet ist.
Unter diesem versteckten Programm der kompromisslosen Selbsterhaltung bzw. bedingungslosen Überlebens leiden wir alle, die einen mehr, die anderen weniger, je nach vorgeburtlichen Bedingungen, Sozialisation, kulturellen Umständen, usw. Sie machen uns tendenziell unleidlich, oft zum jähzornigen reißenden Tier. Da es sich um unbewusste Programme handelt, die uns steuern, lassen wir uns auch steuern, ohne zu wissen, was mit uns tiefenstrukturell geschieht. Dostojewskij hat wie gesagt dafür das Wort „unschuldig schuldig“ geprägt.
Angenommen, ich habe einen Fußgänger angefahren und begehe Fahrerflucht. In diesem Moment hat die Angst vor Führerscheinentzug, vor dem Prozess mit Verurteilung wegen Körperverletzung, vor den sozialen Folgen, usw. mein Verhalten gesteuert. Die alternative Steuerung von „oben“ (s. u.) mit Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein – war unterlegen. Ich hatte die Wahl, habe aber blitzartig einfach so reagiert. Ich habe von meiner Stellung am Hebel keinen Gebrauch
gemacht, weil ich davon nichts wusste und vor allem der massive Druck von „unten“ meine Umschaltfunktion gelähmt hat und/oder ich den stillen, sanften Einfluss von oben durch Unwissen nicht berücksichtigt habe. Das Ego hat so auf ganzer Linie gesiegt.(Fahrerfluchten: durchschnittlich 500 000 pro Jahr bundesweit.)
All das Leid – nicht nur die Ängste davor – schwindet wie der Nebel durch die Strahlen der Morgensonne, würde man sich bewusst in die Abhängigkeit von der inneren Führung begeben. Nur die konkrete Erfahrung und vor allem die Risikobereitschaft, sich auf den spirituellen Weg einzulassen, können den Beweis dafür liefern.