Jemand, der krank ist, befindet sich im Widerspruch zum Sinn des Lebens. Krankheit ist Abweichung vom Sinn des Lebens, also vom Sinn des Seins.

Der irdische Mensch wurde erschaffen, um seinem Sein den Sinn zu geben. Die Schöpfungsgeschichte nennt dazu das „Bauen und Bewahren“ (2,15). Die gegenwärtig allgemeine Praxis des Bauens, das Weiterentwickelns und damit Vervollkommnens erweist sich unter Betrachtung des Erd-Überlastungstag am 4. Mai 2023 aber nicht etwa als Weiterentwicklung eines schonenden verantwortungsvollen Bewusstseins, sondern als kaum gebremstes Weiterentwickeln des Raubbaus der Ressourcen , der Verschmutzung des Planten und der zunehmenden Vergiftung des sozialen Miteinanders. Vom folgenden „Bewahren“ kann so erst recht keine Rede sein.

Was die eigentliche Sinngebung der menschlichen Existenz betrifft, so ist das Mittel dazu ist die Erkenntnis der eigenen Macht über die Erde als Entscheider am Mischerhebel (siehe 2.2.: Binäre Identität) und der angemessene Gebrauch von ihr. Im menschliches Bewusstsein konkurrieren die Einflüsse von „oben“ und von „unten“, die der hingebungsvollen Liebe mit der der Egozentrik. Der Sinn der Egozentrik ist es, das Denken, Fühlen und Handeln der Selbsterhaltung unterzuordnen. Danach leben 99 % der Menschen. Aber alle geistigen Lehren auf unserem Planeten fordern das Gegenteil, den Sieg des Geistes in Form der Nächstenliebe über den Selbsterhaltungstrieb.

Lebt der Mensch nun den Sinn nach „unten“ ins eigene Bewahren des Existierens anstelle des solidarischen Helfens und Unterstützens (siehe des Beispiel vom Barmherzigen Samariter), dann führt ein solches „Bauen“ von selbstisch passenden Welten zu Zerstörung, wie das gegenwärtig an solchen Beispielen wie den Kriegen im Nahen Osten bzw. der Ukraine oder aktuell an solchen Initiativen wie „Remigration“ zu besichtigen ist, aber auch schon am geringsten Nachbarschafts- oder Ehestreit. Dann stellt sich heraus, dass hier der Sinn des Existierens des Existieren ist – wie es auch beim Tier der Fall ist. Das ist so, als ob in einer Schulklasse der Sinn des Existierens in dieser Schulklasse das Existieren in dieser Schulklasse wäre.

Das Tier hat nur diese eine Bestimmung, sein Existieren, aus dem es nicht ausbrechen kann; der Mensch hingegen hat hat noch eine zweite, die Liebe zu anderen Menschen. Dabei kann er diese Liebe wieder pervertieren, indem er sie beschränkt auf Partner, Kinder, Eltern, Freunde und so daraus eine bevorzugende und damit andere ausschließende Liebe macht. Dann ist diese Art der Liebe eine Egofunktion, weil sie ihm nützlich ist. Das hat mit der Liebe zu fremden Menschen nichts zu tun.

Deshalb wird diese Lesart von den Weisheitslehren verworfen und die unterschiedslose Liebe zu allen aufgezeigt, die die einzige Möglichkeit ist, aus dem Jammertal auszubrechen (siehe das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter). Jesus bringt sie in der Bergpredigt auf den Punkt, indem er die Feindesliebe predigt. Diese setzt allerdings geistiges Bestreben voraus, denn dem Alltagsmenschen ist Fremdenliebe nicht möglich, denn diese ist Folge ausschließlich spirituellen Bewusstseins. Dieses Prinzip tritt gegenwärtig weltweit durch die zunehmende Migrantenfeindlichkeit immer deutlicher zutage. Eine krasse weitere Verschärfung dieser Krisenlage zeichnet sich dadurch ab, dass sich durch die Erderwärmung die Flüchtlingsströme massiv verstärken.
(Das bedeutet nicht, allen Flüchtlingsströmen Tür und Tor zu öffnen, was auch unmöglich wäre; es wäre aber sehr gut möglich, durch weltweite Solidarität Lebensbedingungen zu schaffen, die solche Bewegungen überflüssig machen. Aber die bestehenden Ernährungsprogramme, Welthunger- und Entwicklungshilfen sind noch nicht mal ein Tropfen auf dem heißen Stein.)
Erst durch samaritanische Liebe können Frieden, Leidfreiheit und damit die Befreiung von Krankheit bewirkt werden. Und dies erfolgt nicht kollektiv, sondern immer erst individuell.

Die egozentrischen Attribute für das individuelle Leben in Form solcher Wörter wie Spaß oder Glück zeigen das Ziel „Existieren“ als flächendeckende Sinngebung des Existierens. Durch diese Konzentration auf die Selbstliebe – als Folge spiritueller Abstinenz – gibt es Krankheiten als Korrekturimpuls. Sie sind Folge und Ausdruck der Vertauschung von Sinn und Sein.

Im umgekehrten Fall der unterschiedslosen (!) Liebe gibt es im Hier und Jetzt keine Krankheit mehr. (Allerdings gibt es immer wieder Symptome, weil Mephisto den spirituellen Sucher zurückholen will, aber damit zugleich den geistigen Fortschritt durch Abhärtung provoziert.) Die Freiheit von Krankheit ist ja keine Behauptung, kein Versprechen, keine Vermutung oder Annahme, sondern die Erfahrung all derer, die durch Beharrlichkeit, Vertrauen, Geduld und beständige meditative Praxis zum spirituellen Dialog mit der inneren Führung gelangt sind. Die Freiheit von Krankheit bezieht sich für das Individuum natürlich auch auf die Abwesenheit von Leid generell und enthält den Schutz von Unbill insgesamt („Ob tausend fallen zu deiner Seite oder zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.“)

Wer diese Erfahrung gemacht hat und solche auch mehrmals (siehe im Buch die Erfahrungen mit dem Vulkanausbruch, mit dem Autocrash und die mit der Kanalüberfahrt), der erkennt, wie ein spiritueller Beweis aussieht. Solche Belege haben keine Ähnlichkeit mit physikalische oder mathematischen Beweisen, weil sie sich nicht in das Prinzip beliebig wiederholbarer Experimente einordnen lassen. Es gibt aber viele veröffentlichte Erfahrungsberichte (Vom Saulus zum Paulus; Mein Alltag mit Christus; Gandhi: Aus der Stille steigt die Kraft zum Kampf; In der Welt habt ihr Angst; Die Erfahrung kosmischen Bewusstseins: Bucke, Richard: Cosmic Conciousness“; Es war als sängen die Engel: Whittaker, James: We thought we heard the angels sing“; Was sie mit Gott erlebten: „The guideposts treasury of faith“). In ihnen beschreiben konkrete Menschen konkrete Erfahrungen in und mit der geistigen Lebensführung, die eben nicht nur die unzähligen paranormalen Heilungen zeigen, sondern den Schutzschirm insgesamt, in den sich die spirituellen Sucher eingehüllt sehen – und dies über Jahrzehnte – und damit auch die Befreiung von Krankheit. Dabei sind diese Erfahrungen derartig ungewöhnlich, zugleich aber physikalisch nicht völlig ausschließbar, dass es den Alltagsegos immer noch gelingt, das Wort Wunder weitestgehend zu vermeiden, indem sie es ummodeln zu „an ein Wunder grenzend.“

Den Theologen sind diese Dinge fremd, weil ihre einzige Stütze die Textexegese ist. Aber diese ist ohne handfeste spirituelle Erfahrung wertlos. Aber auf diese Erfahrung des Nichtmehrleidens und Nichtmehrkrankseins kommt es an. Wer aber hundert Bücher über Tennis gelesen und ausführlich darüber geforscht, diskutiert und veröffentlicht hat, kann noch lange nicht Tennis spielen.

Die Funktion der Krankheiten ist es, Alarm zu schlagen, um zur Rückkehr zu bewegen. Aufgrund der besagten Vertauschung ist der Körper, der eigentlich das Instrument der Sinnerkennung und der Umsetzung der Nächstenliebe sein sollte, nun aber zum Sinn gemacht worden und hat so die Richtung vom Sein zum Sinn umgedreht. Das kommt schon in der Schöpfungsgeschichte symbolisch zum Ausdruck, indem Adam sich nach Eva richtet, (und die nach der Schlange), also nach äußeren Stimmen und nicht nach seiner inneren – seiner göttlichen –, indem er also der Materie folgt und nicht dem Geist (Gen. 3,6).

Die Sinnfrage wird nur selten gestellt, es herrscht der Selbstsinn. Das Individuum will selbst eine Art Dominator sein, will Gott spielen, vom Präsidenten, Abteilungsleiter und Chefjournalisten bis hin zum herrschsüchtigen Familienoberhaupt. Das sinnentleerte Sein vernichtet sich auf Dauer selbst. Diese Vernichtung führt es allerdings letztendlich wieder zurück zur geistigen Bestimmung. Letzteres ist der Sinn des Bösen in der Welt (siehe Kapitel 3).

Die freie, wenn auch unbewusste Entscheidung für die unbedingte Selbsterhaltung zeigt, dass die Menschen, die nichts über das Wohin wissen, auch zugleich das Wissen über das Woher, nämlich die Schöpfung verlieren. Ein Paradebeispiel ist diejenige Interpretation des Darwinismus, dass Höherentwicklung, sein Wohin, durch optimierte Anpassung an die Umwelt erreicht wird. Insofern wäre das angepassteste Tier das höchstentwickelte. Aber der Mensch ist das am wenigsten angepasste. Irdische (!) Anpassung ist das Gegenteil von Höherentwicklung. Das zeigten die Deutschen in ihrer Anpassung an die Nazis und heute die Putin- und Trump-Follower an ihre Präsidenten. Wer sich anpasst, verzichtet auf seinen eigenen höheren Sinn. Dies zeigt der britische Schriftsteller Rudyard Kipling in seinem weltberühmten „Dschungelbuch“, indem er seinen Helden Mowgli, der bei den Tieren aufwächst, nach dessen Erwachsenwerden und nach dem Eintritt in die menschliche (Dorf-)Gesellschaft in das tierhafte Leben seiner Wolfsbrüder zurückfallen lässt (übrigens im Gegensatz zur Disney-Verfilmung).

Allerdings hat das Anpassungsziel zwei Seiten, denn ein spiritueller Mensch passt sich auch an, und zwar an die Vorgabe der geistigen Ideale (Gita XII, 2, 13; XVIII, 51, 65; Dhammapada 357, 368) an und ringt damit um die Sinnfrage. Deshalb geht es nicht um die Vermeidung von Anpassung generell, sondern um diejenige Darwins, die des Tiers ans rein irdische Sein. Denn diese bringt Ausbeutung und Vergewaltigung mit sich. Darwin und seine Nachfolger haben keine Anpassung an die ethischen Normen der Nächstenliebe gemeint, sondern diejenige an die Autarkie zum Zweck der Selbsterhaltung nach einer solchen Lesart wie: „Der Russe muss sterben, damit wir leben!“ (Wehrmachtsfoto 1941: siehe Kapitel 6 im Buch) Für Darwin ist Anpassung ein pauschales Prinzip, aber in Wirklichkeit ist sie wie bei der Liebe zu differenzieren: Es gibt eine materialistische und eine geistige Anpassung. Erstere ist unbewusst, hasserfüllt und führt in die Sklaverei des Triebs, die geistige ist bewusst, frei und liebevoll: Dein Wille geschehe!“

Solange der Mensch sich im Einklang mit der Selbstbezogenheit und der damit essenziell verbundenen Vergewaltigung von Mitmensch und Umwelt verhält, also im Widerspruch zu ihnen, solange wird und bleibt er krank und /oder leidet als körperlich stabiles Individuum an Rassismus, Ehehölle, Ausbeutung, usw.:

„Der Organismus befindet sich im Zustande der Krankheit, insofern eines seiner … Organe sich für sich festsetzt und in seiner besonderen Tätigkeit gegen die Tätigkeit des Ganzen beharrt. … Die wahrhafte Form des Geistes enthält eine Unangemessenheit, welche die Krankheit ist.“ (Hegel: Enzyklopädie der Wissenschaften. 2/III/C/c/§371. Krankheit des Individuums.)

Insofern ist der Mensch schon von Geburt an substanziell krank, obwohl es so aussieht, als ob die Babys gesund auf die Welt kommen. Aber sie sind lediglich symptomfrei und können jederzeit aus diesem fragilen Drahtseilleben herausgebracht werden, weil die Welt und ihre Medizin die Anpassung ans Existieren anstrebt. Dem Bösen in der Welt entspricht die Krankheit des Körpers.

In der Krankheit wird der Konflikt zwischen Sein und Sinn deutlich. Der Mensch ist auf Ebenbildlichkeit angelegt, was im Streben nach Verwirklichung der Einheit mit seiner inneren Stimme und seinem fremden (!) Gegenüber zum Ausdruck kommt, wie die der Finger an der Hand. Wer dann den konstruktiven Charakter der Krankheit als Ruf zur Umkehr nicht erkennt, verkennt die Einheit, erkrankt und muss leiden.

Es gibt dabei einen wichtigen Sonderfall, den das Buch Hiob thematisiert: Es geht dabei um die Frage, warum furchtbares Leid auch den rechtschaffenen unschuldigen Menschen treffen kann – dessen Bewusstseinsstufe allerdings mit bewusster Hindurchschau noch nichts zu tun hat. In einem solchen Fall ist die Krankheit nicht Instrument bzw. Impuls zum Verlassen der nackt materiellen Bewusstseinsebene in Richtung der spirituellen, sondern zur Erhebung schon spirituellen, aber unbewussten Bewusstseins in bewusstes. Das wird am konkreten Dialog zwischen Hiob und seiner inneren Stimme deutlich wird: 7,21 f. und 40,1 sowie 40,3). Erst dann ist die Einheit verwirklicht. Der Beleg hierfür liegt in den vielen entsprechenden konkreten Erfahrungen aller spirituellen Sucher, die diesen qualitativen Schritt erfolgreich vollzogen haben, 42,5. Das Prinzip allerdings von Krankheit als hartem Impuls zur Kursänderung ist das gleiche.

Je mehr der Sinn sich dem Sein ergibt und damit dem Anhaften an materielle Abhängigkeit, desto größer sind Verfall und Krankheit. Dabei dominieren die aufgrund ständiger schlimmer Lebenserfahrung gewonnenen Überzeugungen, dass die eigene zerbrechliche Existenz und die Abhängigkeit von der Materie naturgegeben seien. Das führt bei jeder Störung und schon jeder Möglichkeit der Störung zu heftiger Gegenwehr wie Fremdenhass, und zwar nicht erst bei konkreten Fällen, sondern grundsätzlich instinktiv, schon angelegt. Kain lässt grüßen.

Dem Menschen mit seinem „gefangenen Glanz“ der Ebenbildlichkeit ist aber generell die Alternative angemessen, die Überwindung der Selbstsucht und des Fremdenhasses. Sie stellt durch sein geistiges Bewusstsein – zumindest als Potenzial – (engl.: spirit) den Gegensatz zum Tier dar. Aber er hat sich weitestgehend für die Unfreiheit des Tieres entschieden, das seinerseits aber nicht ausbrechen kann. Er ist sich der Freiheit der Umkehr faktisch nicht bewusst und tut besinnungslos alles, was der Selbsterhaltungstrieb ihm diktiert. Dabei glaubt er auch noch, er wäre souveräner Anwender seines freien Willens, wobei doch das genaue Gegenteil der Fall ist. Deshalb kann er den wahren Grund für seine Krankheiten nicht finden. Er wird in diesen Sachverhalt hineingeboren und hat daher erst nach einiger Zeit überhaupt die Möglichkeit, sich aus dieser Lage zu befreien. Das ändert aber nichts daran, dass er das Potenzial dafür besitzt und sich durch spirituelle Suche nach der „Tapetentür“ (Hans Müller-Eckhard) daraus lösen kann. Jedoch betrachtet er seine Krankheit immer nur als Auswirkung einer überindividuellen äußeren Ursache: Pandemie, Unfall, Zufall, usw. Bereits diese kollektive Sicht der Dinge ist Symptom seiner irrigen Weltsicht. Das ist schon in der Schöpfungsgeschichte symbolisch enthalten: Adam orientiert sich nicht etwa an seiner inneren Stimme, sondern erklärt Eva zur Ursache für das Desaster mit der Frucht, also dem „Apfel“, während Eva dasselbe mit der Schlange macht.

Insofern bin ich (mit)verantwortlich dafür, dass ich von einem Coronainfizierten angesteckt werde und dass es überhaupt in der Welt so etwas wie Krankheit, Erderwärmung und Krieg gibt. Egal, wie viele Anteile seine eigene „Schuld“ und wie viele von außen als „Schicksal“ auf ihn einstürmen, es läuft alles auf das Hineingeborensein hinaus, aus dem auszubrechen er im Prinzip spätestens seit dem Religionsunterricht in der Schule aufgefordert war: „Bewahren und Bauen“ bzw. „Vervollkommnen“, Mt. 5,48).

Ohne Krankheitserkenntnis keine Gesundung, die ja nicht in erster Linie Sieg über die Krankheit ist, sondern die Erkenntnis der verborgenen Wahrheit (Joh. 8,32). Krankheit ist generell und umfassend einfach nur ein Indikator für die Art und Weise des Lebens im Jammertal, denn im geistig geführten Leben innerhalb dieses Jammertals gibt es sie nicht mehr. Man lebt bewusst im Auge des Hurrikans.

Krankheit ist aber nicht immer Symptom der „Schuld“ des Hineingeborenseins ins Prinzip der Selbsterhaltung, sondern kann auch ein spirituelles Signal sein. Es gibt prominente Beispiele – gleichgültig, ob dialogisch seelengeführt wie Hiob, Gandhi, Jesus oder Johanna oder unbewusst nicht-dialogisch wie etwa Mandela oder Bonhoeffer. Aber noch viel häufiger kommen sie im Alltagsleben vor. Auf den Zusammenhang der „Auserwähltheit“ hat Jesus ja schon hingewiesen, indem er auf Personen aufmerksam gemacht hat, an denen „die Werke Gottes offenbar werden sollen“ (s.o.), und zwar an ihrem Leiden. Ein klassisches Beispiel dafür ist Louis Braille, der früh erblindet die Blindenschrift entwickelte. Dieses Leid basiert eben nicht in erster Linie oder überhaupt nicht auf einer persönlichen karmischen „Schuld“, sondern soll zum Suchen und Finden des verborgenen Grundes auffordern. Dieses Ziel ist immer der Dialog mit der inneren Stimme, die die Antworten gibt, die Bestimmung eröffnet und den Betreffenden auf dem Weg in das besagte „Reich Gottes“, also in das spirituelle Bewusstsein führt. Dieses geistige Bewusstsein im irdischen Leben ist frei ist von Sorge, Furcht, Mangel und eben Krankheit. Dafür gibt es in der Gegenwart viele Beispiele von geradezu wundersamen Heilungen oder partiellen Genesungen oder scheinbar „unmöglichen“ Rettungen, die die Öffentlichkeit immer wieder faszinieren, aber kaum jemand veranlassen, sich aufzumachen, um die Erklärung zu finden. Denn die setzt ja geistige Orientierung voraus.

Die Karmalehre zeigt, dass es unverursachtes Leiden nicht gibt, auch wenn die moderne Medizin genau davon ausgeht. Diese betrachtet Krankheit als sinnfreie Erscheinung und kümmert sich nicht um deren Herkunft. Und wenn doch, verbleibt sie auf der materiellen Ebene und erfasst so nur einen kleinen Teil der Wahrheit und schon gar nicht den entscheidenden. Was das besagte Raucherbein betrifft, so bleibt sie bei der Reparatur stehen und bequemt sich allenfalls dazu, das Rauchen des Patienten in Frage zu stellen. Warum dieser raucht und diese Droge braucht, interessiert die Medizin nicht, die doch nach eigenem Anspruch heilen will. Erst recht will sie nicht wissen, welche Art von Leid den Drogenkonsum generell verursacht und schon gar nicht die Frage nach dem Leid überhaupt. Das ist nicht etwa eine Kritik an der Existenz der Medizin, denn sie ist in der materiell orientierten Entwicklungsphase der Menschen von existenzieller Bedeutung.

Die Weisen der Antike haben sich noch klarsichtig zur Sinnfrage geäußert. So zeigt Hesiod am Beispiel der Büchse der Pandora, dass das Übel in der Welt und damit auch das Kranksein durch die Entscheidung des Menschen gegen die geistigen Gebote erfolgt – wie auch in der Schöpfungsgeschichte. Homer lässt in der Ilias den Gott Apollon die Pest ins Lager der Griechen schicken, weil die gegen ihn gefrevelt hatten, wobei ihr Frevel ebenfalls als Symbol für die Abwendung vom geistigen Weg dient. Die jüdische Weisheit nennt Plagen wie Pest und Pocken, die Gott dem Pharao schickt, weil er sich nicht an die göttlichen Weisungen hält, die ihm durch Mose mitgeteilt werden (Ex. 5). Dieses Muster ist noch weitere Male zu finden: Num. 25, Samuel 24, 1. Chron. 21. Immer sind es wie schon bei Adam und Eva die Abwendung von selbstlosen Sinn und die Hinwendung zum selbstischen materiellen Sein, zum Selbsterhaltungstrieb. Deshalb kommen kollektive Plagen wie Brände, Fluten, Pandemien und Kriege und auf der individuellen Ebene eben Krankheiten, um die Menschen zur Rückkehr zu bewegen. Die moderne Theologie will in Bezug auf Krankheit davon nichts wissen und überschlägt sich mit Begriffen wie Sinnlosigkeit, Unbegreiflichkeit, Widergöttlichkeit, kritisiert ein solches Verständnis als „schwarze Pädagogik der Sünde und Strafe“ und rät zu erbittertem Widerstand – wobei eine Übereinstimmung mit der zentralen Mahnung Jesu „Widerstrebet dem Übel nicht !“ beim besten Willen nicht zu erkennen ist:

„Was der Mensch der Krankheit gegenüber in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes wollen soll, kann immer nur Widerstand bis auf das Letzte sein.“
(Barth, Karl: Kirchliche Dogmatik. III/4.)

Und alles das, um verzweifelt vom Sinn des Krankseins und letztlich natürlich auch vom Karma abzulenken. Das Motiv für diese Abwendung von den oft genug vorgestellten Alternativen – besonders von der östlichen Weisheit – liegt auf der Hand: Würden den noch verbliebenen Kirchenmitgliedern ihre Mitverantwortung aufgezeigt, also die harten karmischen Folgen ihres selbstischen Egolebens, würden sie dazu noch aufgefordert zu eigener (!) Abkehr von Rache und Vergeltung und auch zum Vorrang des Gebens vor dem Nehmen und zur Feindesliebe, würden auch die noch in Scharen weglaufen. (Zu dieser „ängstlichen Anpassung an weltliche Werte, die keine Antworten mehr hat“, siehe ausführlicher im Buch Kap. 12 nach einem Artikel in: DIE ZEIT 49/2020, S. 62). Diese Art der Anpassung ans nackte Existieren verrät den Sinn und führt ins Gegenteil von Weiter- und Höherentwicklung.

Krankheiten führen nun oft zu Genesung, was aber nicht zum Verständnis ihrer Ursachen und ihres Sinns führt: Behebung ist nicht Höherentwicklung. Wer sich aber in das Ertragen seiner Krankheit einfügt, aufhört zu kämpfen und stattdessen ins geistige Bewusstsein geht (“trachten“), geht vom Sein zum Sinn und wird von ihr befreit, wenn auch nicht unbedingt von Symptomen, die immer wieder mal der Aufrechterhaltung des Bewusstseinslevels dienen.

(Weil die Auseinandersetzung mit Krankheit immer mit deren Überwindung zu tun hat, werden die Begriffe hier wie folgt verwendet: Heilung meint die Wiederherstellung des Zustandes vor der Krankheit; der Begriff bezieht sich auf die irdische Dimension. Gesundung hingegen soll die geistig bewirkte grundsätzliche Befreiung vom Krankheit zum Ausdruck bringen.)

Neben der Schulmedizin verwenden viele Menschen in Bezug auf bestimmte Krankheitsbilder homöopathische Mittel. Dabei ist Homöopathie nicht Kampf gegen die Symptome, sondern im Gegenteil ihre Verstärkung im Sinn einer Impfung. Sie treibt den Teufel durch Beelzebub aus, wohingegen die Schulmedizin versucht, die Symptome zu unterdrücken, was mit nachhaltiger Gesundung ebenfalls nichts zu tun hat. Beide tragen nichts zur Gesundung durch Bewusstmachung im Sinn der generellen Befreiung von Kranksein bei.

„Einem solchen Prozess arbeitet die Allopathie [Schulmedizin] aus allen Kräften entgegen; die Homöopathie ihrerseits trachtet ihn zu beschleunigen oder zu verstärken … Beide wollen es besser verstehen als die Natur selbst, die doch sowohl das Maß als auch die Richtung ihrer Heilmethoden kennt.“
(Schopenhauer: Parerga und Paralipomena. Bd. 2, Kap. VI, § 101)

Die Schulmedizin will aus Bösem Gutes machen, verbleibt so auf der rein materiellen Ebene und verstärkt dadurch den Verbleib im Jammertal. Sie kann nicht heilen, nur reparieren. Sie bekämpft das Gift mit dem Gegengift. Sie amputiert, zieht Zähne, schneidet Tumore heraus, tötet Bakterien ab, entfernt durch Verhaltenstherapie Bewusstseinstraumata, legt Verbände an und verschreibt Rezepte zwecks Beseitigung von Schmerzen; sie geht insofern mechanisch vor und will vorwiegend Genesung. Die Homöopathie will ebenfalls Heilung und Genesung, verbleibt aber auch im Bereich der Anhaftung ans Sein; sie hat dann zwar vielleicht gewonnen, Mephisto aber auch. Von grundsätzlicher Gesundung kann keine Rede sein.
Die Ausnahmen liegen natürlich dann vor, wenn therapeutische Schritte gleich welcher Richtung durch geistige Führung vorgegeben werden.

Jesus geht beim Symbol Lazarus geistig vor. Dessen Heilung könnte auch generelle Gesundung enthalten, in Abhängigkeit vom Erleuchtungslevel. Aber darüber ist im Text nichts zu finden.
Befreiung vom Kranksein generell durch geistiges Bewusstsein bedeutet nun nicht zugleich solche von Symptomen. Im Gegenteil hat Mephisto zwar seine Kraft verloren, aber seinen Job, den spirituellen Sucher zurückzuholen in die Welt ausschließlich materiellen Bewusstseins (Goethe: Faust I, Prolog im Himmel: „…zieh ihn von seinem Urquell ab!“), gibt er niemals auf, auch wenn seine Attacken immer kraftloser werden.

Der Grund für die Möglichkeit der generellen Befreiung vom Kranksein ist das Erkennen der Machtlosigkeit des Übels. Insofern ist Krankheit ein Gesundungsimpuls und deshalb zu bejahen (siehe Hiob oder den Gelähmten oder Hakuin; im Buch Kap. 9). Es geht immer um Erkenntnis – hier der Sinngebung nicht nur der Krankheit, sondern auch des Lebens insgesamt. Die Krankheit ist nicht zu bekämpfen, sondern in die Hand Gottes zu legen, also „nach dem Reich Gottes zu trachten“, nach dem geistigen Bewusstsein. Insofern kann grundsätzliche Gesundung nur durch Hindurchschau durch die Erscheinungswelt erfolgen. Ob überhaupt bzw. welche schulmedizinische oder homöopathische oder andere Folgeschritte sich nach dem Erkennen anschließen, ist keine Grundsatzfrage mehr, sondern ergibt aus Dialogen mit Optikern, Zahnärzten mit Heilern, ggf. anderen Medizinern und übergeordnet mit der inneren Stimme als letztem Wort. Und der spirituelle Weg springt nicht gleich von Null auf Hundert. Die Leiden, die der spirituelle Sucher auf dem Weg zur Befreiung von Krankheit jetzt sehr bewusst auf sich nimmt, bedeuten, dass der Sinn das Sein dann wieder bejaht, weil das Sein wieder Ja zum höheren Sinn sagt: „Ich, der Herr, bin es, der dein Arzt ist.“ (Ex. 15,26).