Das Prinzip des Gebens

Wer unter allen Umständen und reichlich versorgt sein will, muss wissen, dass Versorgung auf Ausgeben beruht und nicht auf Einnehmen.

Jeder Landwirt kennt dieses Prinzip. Er weiß, dass er keine Ernte ohne Aussaat bekommt. Jeder Unternehmer kennt es ebenfalls. Beide richten sich nach der materiellen Version des Gebens, Investition genannt. Als Ergebnis kann dieses „Geben“ gut ausgehen, aber auch schlecht. Der Grund für das unsichere Ergebnis ist das Ego-Programm, das diese Art von Geben mit dem Ziel verbindet, umso mehr einnehmen zu können.

Angenommen, ich wäre ein Zweig eines Kirschbaums. Meine Blätter werden gelb und die Kirschen beginnen zu verschrumpeln. Mein Nachbarzweig hat noch grüne Blätter und pralle rote Kirschen. Werde ich nun versuchen, auf irgendeine Art das benötigte Gut von ihm zu bekommen, werde ich anbetteln, ihn gar irgendwie ausnutzen, übervorteilen oder gar bestehlen? Es versteht sich von selbst, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, sich an die Quelle zu wenden, an den Baum, weil sich dort Leben und Energie befinden. Aus dem Baum strömt die Versorgung mit Wasser in den Zweig, nicht aus der Umgebung. Die Grundlage für die Versorgung der Blätter ist allerdings nicht einmal der physikalische Stamm mit den Wurzeln, sondern das Leben in ihm.

Wer immer einen ausreichenden Unterhalt will, muss das Nehmen durch das Hergeben ersetzen und dies auch mit dem erforderlichen Bewusstsein der Versorgtheit praktizieren. Es handelt sich dabei um das Wissen, dass Versorgung auf selbstlosem Geben beruht. Die Menschen wollen immer nur haben und nehmen, anstatt (zurückzu)geben im Sinne des Dankens für die Gabe ihrer Versorgung. Denn in ihnen selbst ist bereits das Potenzial der umfassenden Versorgung vorhanden. Sie wollen aber die benötigten Ressourcen von außen beziehen, anstatt sich auf die nie versiegende Quelle von innen zu verlassen.

Die menschliche Auffassung von Versorgung bezieht sich auf Geld, Besitztümer, Gesundheit, Familie und für manche auch auf Kirche. Der geistige Begriff enthält ausschließlich die Interaktion mit der inneren Seelenkraft, denn wer diese hat, hat alles, auch materiell, weil aus diesem inneren Dialog alles äußere Notwendige hervorgeht.

Spirituell etablierte Versorgung ist wie die der Sonne. Deren Strahlkraft ist unerschöpflich, deshalb gibt es immer Licht und Wärme. Auch die Erde hat Ressourcen im Überfluss. Der Vorrat an Böden, Süßwasser, frischer Luft, Getreide, Obst, Gemüse, Nutzvieh, Hölzern, Metallen, usw. könnte bequem das Doppelte der gegenwärtigen Erdbevölkerung versorgen. Es geht den Menschen aber immer nur um die eigene Versorgung, und das funktioniert nur auf Kosten anderer. Deswegen hungern knapp eine Milliarde Menschen. Weitere 500 Millionen leben im Elend, eine weitere Milliarde ist absolut arm.

Üblicherweise ergreift man einen Beruf und nimmt eine Arbeit an oder eröffnet ein Geschäft, usw.; sein Einkommen erhält man so von Arbeitgebern oder Kunden. Das sieht so aus, als ob man seine Versorgung außen von eben diesen erhielte. Kaum jemand kommt auf die Idee, dass der Kunde oder Arbeitgeber nicht Quelle der Versorgung sindsondern ihr Kanal.

Nun ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes nicht immer garantiert, und für Produzenten oder Dienstleister herrscht Konkurrenzdruck. Deshalb wenden alle Seiten die verschiedensten Manöver an, um von der jeweils anderen Seite herauszuschlagen, was möglich ist. Und das gilt nicht nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gibt unzählige Verfahren wie geschönte Werbung, Streiks, Mogelpackungen, Kleingedrucktes, kreativer Umgang mit der Steuererklärung, usw. Gemeinsam ist allen Vorgehensweisen, dass sie alle ihre Versorgungsprobleme auf derselben, also materiellen Ebene lösen wollen – und immer auf Kosten von anderen -, was harmonisch nicht möglich ist.

Viele Menschen werden durch finanzielle Engpässe oder Gier korrupt. Sie greifen dazu, andere zu benachteiligen, zu übertölpeln, jede Unachtsamkeit wie ein Tellereisen für sich auszunutzen, usw. und gehen in vielen Fällen über zu Unterschlagung, Betrug und Diebstahl.

Wer arm ist, krank oder einsam, der hätte das Wissen nötig, dass er das Prinzip der göttlichen Versorgung schon in sich trägt, das im Fall der Aktivierung dieses Bewusstseins die versorgenden materiellen Formen hervorbringt wie Arbeitsplatz, Partner, Gesundung. Man muss sich dabei an die Verursacherebene und nicht an die Formgebungsebene wenden. Jeder, der stiehlt oder unterschlägt, macht diesen Fehler, dass er außen sucht und nicht innen. Wenn er wüsste, wie Versorgung zustande kommt und dass der Bumerang (nicht unbedingt schon in diesem Leben; siehe Kapitel „Reinkarnation“) zurückkommt, würde er einen weiten Bogen um Diebstahl und Raub machen. Es geschieht aus dem Selbsterhaltungstrieb heraus und dem Unwissen darüber, dass die Probleme nicht dadurch zu lösen sind, dass man von A nach B geht.

Erst von dem Moment an, in dem wir uns an die Quelle im Innern anschließen, indem wir sie als Ursache der Versorgung erkennen, wird uns fortwährende und reichliche Versorgung zuteil. Denn bei einem Bewusstsein der Versorgtheit kommt der Bumerang ebenfalls zurück, diesmal positiv.

„Das Reich Gottes ist in uns.
Hast du schon hier auf Erden
ein ganzes Reich in dir,
was fürcht’st du, arm zu werden.“
(Angelus Silesius: Cherubinischer Wandersmann VI, 166)

Der Beweis ist durch kein wissenschaftliches Experiment zu führen, sondern durch die konkrete eigene Erfahrung. Die Voraussetzung ist, sich auf das Risiko einzulassen, den unzähligen Hinweisen der Weisheitsschriften zu folgen. Wenn man durch spirituelle Schlüsselerlebnisse den eindeutigen Aufruf erhalten hat, dass man für diesen Weg vorgesehen ist, ist der Weg dafür frei. Solange das noch nicht der Fall ist, riskiert (!) man das selbstlose Geben, meditiert und wartet.

Wer mit dem Training des Gebens beginnt, öffnet sich dem Echo des Erhaltens. Geben besteht aus:
– Weg-Geben (den Zehnten, Spenden, Kindernothilfe),
– Auf-Geben (von Prahlen, Sorgen, Groll, Eifersucht, Neid, usw.)
– Ver-Geben (Kränkungen, Beleidigungen, Verletzungen, Schädigungen),
– Her-Geben (Arbeit, Kraft, Zeit, Geduld, usw.).

Hat man den Kontakt zum eigenen geistigen Wesenskern, hat man immer stabile Versorgung. Eine Voraussetzung ist, aufzuhören, die Welt zu verbessern, zu kämpfen, anzuhäufen, zu erjagen. Es ist buchstäblicher Reichtum, der in uns ist. Wir müssen ihn „nur“ aktivieren, indem wir anfangen zu geben. Dann fließt er immer neu nach. Dann brauchen wir niemals mehr über längere Zeit an Engpässen zu leiden. Die Voraussetzung ist, dass der Verstand den Kampf auf-gibt und anfängt, Kanal für die Seele zu werden.

Ein junger Mann, soeben aus dem Militärdienst entlassen, beginnt zu studieren. Mehr und mehr erwacht in ihm das Bedürfnis nach Kontakt zum weiblichen Geschlecht. Er geht in Discos, sucht Kontakte in den Vorlesungen, geht in Freundeskreise, usw. Je mehr er sich anstrengt, desto mehr Enttäuschungen gibt es. Er verstärkt sein Engagement noch, aber alle Ansätze gehen nun erst recht fehl. Es ist wie verhext. Es führt derart in die Aussichtslosigkeit, dass er schließlich verzweifelt aufgibt. Im Glauben, dass er ungeeignet sei oder es eben nicht sein soll, stellt er jegliche Aktivität ein. Von diesem Moment an kommen weibliche Freundschaften von allen Seiten auf ihn zu.

Versorgung ist ein generelles Prinzip des Lebens. Sie tritt im Alltagsleben scheinbar ungeordnet, zufällig und beliebig auf oder aber auch zielstrebig erreichbar und planbar. Sie erscheint oberflächlich als etwas, das der eine hat und der andere nicht. Im spirituellen Leben ist sie beherrschbar, und man kann sie sich untertan machen, wenn man sich der inneren Führung untertan macht.

Sie kann nicht irgendwo herkommen, weil sie schon da ist, in jedem Menschen. Aber nur bei Selbsterkenntnis unserer Gotteskindschaft, unserer Ebenbildlichkeit (Gen. 1,27), haben wir alles, was unsere Seele hat. Weil Versorgung ein Prinzip ist, ist sie unsichtbar. Sichtbar sind ihre Wirkungen wie z. B. Gesundheit oder Geld. Insofern ist Geld nicht Versorgung, sondern deren Erscheinung bzw. Auswirkung.

Es gibt ein einfaches Prinzip, das so gut wie jeder erfahren hat. Wenn man mit der Gebefreudigkeit beginnt, entfaltet die Versorgung ihre Wirkung: Man steht z. B. vor einer Aufgabenstellung und hat keine Ahnung, wie man sie bearbeiten soll. Dann fängt man einfach irgendwie an, egal, ob es sich um einen Aufsatz handelt, eine Rede, die Suche nach einem Computerfehler, usw., und bald kommen die Einfälle. Man muss herausströmen lassen, damit etwas hereinkommt. Diese Erfahrungen ähneln dem Prinzip „Learning by doing“, bei dem man erst einmal irgendwie anfängt, ohne die Zusammenhänge zu kennen und sich dann durch Erfahrungen vortastet. Man hat vielleicht auf etwas von außen gewartet, aber Versorgung kommt nicht zu mir, sondern aus mir. Damit sie sichtbar wird, muss sie zum Ausfließen gebracht werden.

Ich gewinne Versorgung, je mehr ich zulasse, dass die Seele meine Lebensführung übernimmt. Das enthält vertrauensvolles und geduldiges Warten und beharrliches Gehen in die Stille der Meditation. Das Warten enthält dann mehr und mehr Zeichen der zunehmenden Wirkungen des Hohen ICH. Es häufen sich Träume, die vorinformieren sowie Fügungen und günstige „Zufälle“ in finanzieller, zwischenmenschlicher, gesundheitlicher oder geschäftlicher Art.

Der Verlorene Sohn ist das klassische Gleichnis für den spirituellen Weg des Menschen. Unter anderem enthält es das Prinzip der Versorgung: Er hatte alles, löste sich dann aber heraus aus des „Vaters“ Bereich (in ihm) und schlug einen abgetrennten eigenständigen Weg ein. (Das Ego muss erst einmal aufgebaut werden, damit es abgebaut werden kann. Die Abtrennung wird vollzogen, wie das jeder z. B. aus seiner Pubertät kennt.) 
Er nahm dann sein Erbe (!) mit, geistig und materiell, also den Gottesfunken in ihm und seinen Geldanteil. Er verbrauchte seine materielle Habe, die sich – im Gegensatz zu göttlicher Versorgung (Symbol: Manna-Geschichte: Ex. 16) – nicht immer wieder erneuerte. Denn er hatte den Kontakt und damit das Bewusstsein seiner göttlichen Identität verloren. Die böse Überraschung war, dass der ihm verbliebene Teil seiner Identität, die des biologischen Menschen, für seine Versorgung nicht reichte. Genau dies ist die gegenwärtige Entwicklung auf unserem Planeten, in der die Menschheit z. Zt. das 1,6fache dessen verbraucht, was die Ressourcen hergeben. Und das auch nur im Durchschnitt: Die Industrieländer verbrauchen das Dreifache.

Es kam dann so, dass der Verlorene Sohn bei der Schweineherde landete (Symbol für den animalischen Lebenssinn des Alltagsmenschen). Nachdem er sich aber für den Rückweg entschlossen und sich vom „Highway to Hell“ abgewendet hatte, also in die Meditation ging, wurde er Empfänger alles Guten und aller Güter. Weil er sich zur Trennung entschlossen hatte, war er in die Verelendung geraten.  Dadurch aber fühlte er sich veranlasst, nach des Vaters Hof im Innern zu „trachten“ und damit sein geistiges Erbe zu aktivieren. Auch wenn wir dann durchs Feuer und ein ums andere Mal durch eine Talsohle gehen müssen, werden uns die Flammen nicht versengen (siehe Kapitel 4). Eine literarische Verarbeitung dieses Hin- und Rückweges ist der mittelalterliche Versroman „Parzival“ (frz. „par“ = durch; val= Tal), wohingegen der Weg des Nazareners weitgehend nur den Rückweg abbildet.

Bin ich mittellos, heißt das nicht, dass ich nicht versorgt bin – unter der Voraussetzung spirituellen Bewusstseins: Wenn das Kleinkind schreit, weil es Hunger hat, und die Mutter kommt nicht, weil sie gerade Säuglingsnahrung besorgt, heißt das nicht, dass keine Versorgung da ist. Es kommt immer darauf an, zu erkennen, ob bei der Versorgung z. B. mit frischem Obst gerade Winter oder Sommer ist und den Drang zu überwinden, außen zu suchen, wenn man grundsätzlich und immer Versorgung haben will.

Versorgung nicht suchen, sie besteht schon

Sind wir arm, krank oder einsam, dann wünschen wir Wohlstand, Gesundheit oder Partner. Das logische Jagen danach ist ein halbwegs verlässliches Mittel, diese Ziele nicht zu erreichen. Es gibt nur wenige, die die Ursache von Armut, Krankheit oder Einsamkeit suchen, um das Problem zu lösen. Die Ursache ist die Trennung von der spirituellen Quelle der Versorgung. Ist der Kontakt zur Seele abgeschnitten, bekomme ich die benötigte Energie nicht oder nicht zufriedenstellend, in jedem Fall aber nicht verlässlich. In der Quelle liegt der Mangel nicht. Je mehr Mängel ich habe, ein desto größerer Abstand zur Quelle liegt dem zugrunde. Ist der Ast des Kirschbaums geknickt, wird er noch halbwegs versorgt. Ist er gebrochen und hängt herab, so verliert er die meisten Blätter, ist aber vielleicht noch nicht ganz abgestorben. Ist er aber ganz abgebrochen, d. h. vom Stamm getrennt und liegt auf der Erde, verwelkt er.

Jeder, der z. B. in Geldnot ist, überlegt fieberhaft, wie er an Geld kommen kann: Mehrarbeit, Lotto spielen, am Essen sparen, vielleicht sogar unterschlagen oder betrügen. In jedem Fall martert er seinen Verstand (!) mit den verschiedensten vorstellbaren Lösungsmöglichkeiten. Das ist ein wichtiger Schritt in die Richtung, dass ein Erfolg nicht eintreten wird oder ist nur kurzlebig ist. Oder aber man wird nicht glücklich damit. Denn das (Unter-)Bewusstsein registriert die Differenz zwischen Soll und Ist, also Unvollkommenheit, und erfüllt genau diesen Impuls einigermaßen zuverlässig. Das kennt jeder, der aus unbewusstem Geldmangel Billigprodukte kaufte und dann noch einmal kaufen musste.
Die Herstellung des Sollzustandes ist nicht etwa mein Problem, sondern das meiner Seele. Wende ich mich als erstes an sie, übergebe ich ihr die Verantwortung. Es ist ihr Job, hinreichende Versorgung für mich herbeizuführen. Dabei wird das, was uns fehlt, in dem Maß auf uns zukommen, in dem wir geben. Dabei ist es erst in zweiter Linie eine Frage der Menge, sondern hauptsächlich eine des Bewusstseins des Habens – auch bei Armut.     

Meine Versorgung durch die Seele ist aber immer nicht nur für mich gedacht, sondern soll auch anderen zugutekommen. Deswegen hat das Privileg meiner stabilen und reichlichen Versorgung immer die Folge, dass ich dadurch zum Kanal werde, um Anteile meiner Versorgung an andere weiterleiten zu können. Wer also in den Genuss eines reichlichen Geldsegens gekommen ist und sich des spirituellen Hintergrundes bewusst ist, gibt sofort einen Teil weiter. Das hat zur Folge, dass im Laufe der Zeit die Zuwendungen immer umfangreicher werden. (Wer darauf spekulierte, durch Geben zu profitieren, würde mit einem solchen Manöver Schiffbruch erleiden.)        
Manche haben mit 10 % angefangen und steigerten ihr Weiter-Geben bis auf 50, 60 % oder mehr und hatten immer mehr, als sie brauchten. (Das funktioniert grundsätzlich, wenn auch oft nicht sofort; die Ausnahme ist wie gesagt, das Geben mit dem Hintergedanken des Erhaltens zu praktizieren. Denn wer etwas bekommen will, übersieht, dass der Auslöser dieses Wollens ein unbewusstes Mangelprogramm ist, eine Differenz zwischen Soll und Ist; und diese Differenz schlägt immer zu.)

Die Versorgung mit der „vollen Genüge“ gilt unter der Voraussetzung, dass ein wie auch immer gearteter Kontakt zur Seele bereits hergestellt wurde. Für die Suchenden, die diesen Schritt noch nicht vollzogen haben, muss das keineswegs frustrierend sein: Solange der Kontakt noch nicht da ist, bittet (!) man seine Seele um Führung, geht einfach nach Vernunft, bestem Weisheitswissen und Gebefreudigkeit vor und wird dann durch Versuch und Irrtum sowie Bauchgefühl zum Erfolg geführt. Konkret bedeutet das, dass man bei Geldnot das Problem ausblendet und als erstes nach innerer Führung „trachtet“, d. h. in die Meditation geht. Auf keinen Fall darf das Problem in irgendeiner Form in der inneren Betrachtung auftauchen, denn die Seele reagiert immer auf die entsprechenden Impulse. Und dann beginnt man mit dem Geben, aber ohne Hintergedanken der Investition. Das Weggegebene ist und bleibt weg.

Dabei tritt immer das Problem auf, ob bzw. wann man Bettlern gibt. Das ist diffizil, weil man nie weiß, ob es sich um wirklich Bedürftige handelt oder um professionelle Bandenmitglieder. Und hinter die Kulisse kann man nur mit Hilfe der Seele schauen. Manchmal gibt es tatsächlich Verzweifelte, und manchmal ist das nicht der Fall. Und auch bei Verzweifelten ist es dann noch die Frage, ob das Gleichnis vom Samariter zutrifft, der einen Hilflosen (!) am Straßenrand aufliest. Denn ein Bettler ist nicht hilflos wie ein Halbtoter und weist insofern keine Parallele zum Überfallopfer auf. Vor allem aber ist das Hauptmerkmal des Bettelns das ausschließliche Habenwollen, und das führt sowieso dazu – karmisch formuliert -, dass dem, der immer nur nimmt, genommen werden wird. Insofern wäre dann mein Geben für den Bettler kontraproduktiv. Zudem ist das Helfenwollen sowieso meist zweckwidrig, denn damit mischt man sich möglicherweise in karmische Zusammenhänge ein und mindert kurzfristig das Leid, das aber doch sein sollte, um durch den Leidensdruck den Weg zurück zu weisen. Zusammengefasst ist das Geben in Bezug auf Bettler spirituell gesehen zwiespältig, außer man befindet sich in der komfortablen Lage der Anleitung von innen, die nicht nach dem Anschein urteilt und die angemessene Entscheidungshilfe bietet.

Es hat wie gesagt keinen Zweck, Versorgung zu suchen, weil sie ja schon besteht. Es geht „nur“ darum, sie anzuerkennen. Versorgung ist in uns längst vorhanden, genauso wie der elektrische Strom im Zimmer auch da ist und nur darauf wartet, angezapft zu werden. Wer also Licht haben will, muss einfach nur wissen, dass und wie man die Leuchte mit ihm verbindet. Es wäre falsch, außerhalb jemanden finden zu wollen, der uns Strom besorgt. Es nützt auch nichts, im dunklen Raum zu sitzen und um Versorgung zu beten. Die Energie fließt erst, wenn die Steckdose gefunden und der Schalter betätigt wird. 

Die meisten Menschen suchen Versorgung, Gesundheit, Respekt, Zuwendung und Partnerschaft bei anderen Menschen. Die Erfolgsquote im Reich von Gut und Böse ist immer mal gut und mal schlecht. Aber nachhaltig ist sie nicht. Denn wir erhalten ja immer nur, was von uns ausströmt, als Echo sozusagen. Wer also versorgt sein möchte, muss als erstes versorgen. Wer geliebt werden möchte, muss erst einmal lieben. 

Wer geheilt werden möchte, muss als erstes (!) andere heilen (Aussaat). Dazu braucht er kein Heiler zu sein, denn die Qualitäten des Zuhörens, der Hingabe, der Fürsorge – über den Rahmen des eigenen familiären und freundschaftlichen Umkreises hinaus – bewirken, dass sich Heilung einstellt oder dass sich die Wege zu ihr auftun.

Wer seine innere Versorgung erkennt, strömt geistiges Verständnis aus, so wie die Lampe Licht ausstrahlt. Es gibt keine Lampe, die Licht haben möchte. Auch die Sonne strahlt ihr Licht und ihre Wärme aus und will weder Licht noch Wärme haben. Auch der Kirschbaum bringt seine Früchte hervor und gibt sie her. Fülle kommt zu denen, die sie im Bewusstsein schon haben. Deshalb werden viele Reiche immer reicher. Der Volksmund beschreibt diesen Zusammenhang mit den derben Worten: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen!“
Unter dem spirituellen Schirm gibt es kein Bedürfnisbewusstsein mehr, egal, wie die materielle Lage beschaffen ist, und deshalb auch trotz mancher Engpässe auch immerwährende Versorgung. Wer das Bewusstsein der vollständigen Versorgung aber nicht hat, dem wird auch das, was er noch besaß, ebenfalls genommen, denn das unterschwellige Mangelbewusstsein realisiert sich natürlich auch.

Wer sucht, bleibt im irdischen Prinzip des Defizits gefangen. Wenn man sich aber der Seele öffnet, so öffnet sich das Bewusstsein des umfassenden Habens. Es sorgt dann für Wege, die nicht nur horizontal zu materieller Fülle führt, sondern darüber hinaus zu höherer Berufung voller Freude.

Das einzige Streben, das Erfolg hat, ist das spirituelle. Und dieses Streben ist keine mangelgetriebene Suche des Ego, sondern das Drängen der Seele. Und dieses führt immer über die Meditation. Dann finden sich weitere „Helferlein“, also hilfreiche Instanzen, Ideen und Personen rechtzeitig auf dem Weg ein. Damit ist vor allem ein Trainer gemeint, der einen ein Stück des anfänglichen Weges begleitet und rät, wie man die nun auftauchenden Stufen und Herausforderungen überwindet.

Es kommt gelegentlich vor, dass sich ein Sucher auf den geistigen Pfad wegen der vollen Genüge begibt. Das wird schiefgehen, weil die Basis ein Bewusstsein des Mangels und nicht aus innerem Drängen kommt. Und das Mangelbewusstsein wird sich verwirklichen. Wenn wir aber in die Meditation gehen in Erwartung der Begegnung mit der Seele – nicht in Erwartung der „vollen Genüge“ – dann tritt sie nach der Erfahrung ihrer Gegenwart in Erscheinung als Harmonie, Fülle und Wohlergehen.

Zum Nulltarif gibt es allerdings nichts. Auf dem Weg ist eine Reihe von Prüfungen zu bestehen, die Ernsthaftigkeit und Durchhaltevermögen austesten. Und solche Checks werden immer Begleiter auf dem Weg bleiben.

Trotzdem oder gerade deswegen verwirklicht sich die Fülle in allen Lebensbereichen. Es ist ausgeschlossen, dass nur einzelne Bereiche wie Beruf oder Gesundheit davon betroffen sind, denn der eingeborene Sohn im Menschen – das Hohe ICH – ist Vollkommenheit. Das bedeutet, dass Beruf, Wohnen, Einkommen, Partnerschaft, Gesundheit und soziales Umfeld gleichermaßen in Richtung Vervollkommnung entwickelt werden.

Allerdings müssen diese Bereiche nicht gleichzeitig erscheinen. Tatsächlich verzögern sich manche – manchmal um Jahre -, wenn in genau diesen Feldern Nachholbedarf an spirituellen Lektionen besteht. Man kann aber sicher sein, dass während der Wartezeit genügend Situationen auftauchen, die den Finger in die Wunde legen und die Defizite – z. B. an Liebesfähigkeit – offenlegen. Sie können so erkannt und korrigiert werden. Die Hauptprobleme liegen meist in der Hindurchschau und im mangelnden Hinwegsehen über die negative Oberfläche vor allem von „Feinden.“ Don‘t shoot the messenger!

Spirituelle Versorgung stillt die Erfordernisse des momentanen Bedarfs. Das Bunkern gerade von finanziellen Ressourcen ist nicht Sache der Seele. Damit ist nicht die Einlagerung von Vorräten für die kalte Jahreszeit gemeint. Es ist eine immer wiederkehrende Lektion in spirituellem Vertrauen, Reserven aufzubrauchen, damit neue nachfließen. (Ein krasses Beispiel für abwegiges Bunkern ist in den sogenannten Preppern zu sehen, die unterirdische Bunker bauen und riesige Vorräte anlegen, um in Krisenzeiten versorgt zu sein. Außerdem legen manche von ihnen zusätzlich noch Waffenlager an, um sich gegen Hilfesuchende verteidigen zu können.)           
Das Nachfließen ist oft gleichbleibend wie eine Rente, ändert aber auch seine Form. Das Prinzip des Versorgtseins ändert sich jedoch nicht.

In einem Zufallsgespräch im Eisenbahnabteil jammert eine Frau darüber, dass nach dem Tod ihres Mannes nun ein Teil ihrer Unterhaltszahlung ausgelaufen sei. Zugleich bemerkt sie, dass glücklicherweise im selben Monat die Hypotheken fürs Haus in etwa derselben Höhe abbezahlt sind, ist sich aber offensichtlich dieser Versorgung nicht bewusst.

Es gibt unfruchtbare Zeiten, aber Versorgung kommt, wenn auch nicht unbedingt zur (vom Ego) gewünschten Zeit, manchmal erst im allerletzten Moment. Man braucht schon ein großes Maß an Vertrauen und Bewusstsein der Fülle, um Engpässe aushalten zu können und nicht in Panik zu verfallen.

Grundlagen gesicherter Versorgung

Das Grundprinzip der Versorgung ist Geben! Es ist ein Abgeben von dem, was man hat. Genau genommen ist es aber doch nicht ein richtiges Geben, denn Geben basiert auf dem Bewusstsein, dass ich als niederes Ich etwas habe und von meinem Bestand etwas abgebe. 

Aber wenn ich weiß, dass das, was mir auf der irdischen Oberfläche gehört, in Wirklichkeit zum Haushalt der Gesamtschöpfung gehört und mir – egal, ob als Erbe oder durch harte Arbeit – nur übertragen worden war, weiß ich zugleich, dass es nicht ich war, der es gegeben hat, sondern ich dem Impuls und dem Haushalt meiner Seele gefolgt bin. Über-geben heißt also ganz genau genommen nicht, jemandem von sich etwas zu geben, es heißt, geistige Energie (in Form von Zeit, Geld oder Kraft) weiterzuleiten.

Wenn ich gebe unter dem geistigen Aspekt des Über-gebens, stellt das Verausgabte sich durch das Prinzip der Superkompensation auf vermehrtem und höherem Niveau wieder ein. Dies dichtet schon Shakespeare mit Tiefblick:               

„Je mehr ich gebe, desto mehr auch hab‘ ich,
beides ist unendlich.“
(Romeo und Julia, II, 2)

Superkompensation ist ein grundlegendes Prinzip z. B. der sportlichen Trainingslehre. Es sagt aus, dass das Ausleeren der muskulären Energiespeicher durch Belastung, also Trainingsreize, dazu führt, dass der Körper nicht nur mit dem Wiederauffüllen der Speicher in gleichem Maß reagiert, sondern anschließend die Speicher vergrößert und mit zusätzlicher Energie auffüllt, um sich besser auf solche Mehrbelastungen einzustellen. Ohne Superkompensation gäbe es keine Trainingseffekte. Durch die Superkompensation gibt es ständigen Zuwachs. Die Bestandsminderung nach dem Geben wird durch die Versorgung aufgehoben und überschreitet das Ausgangsniveau.

Wesentlich für die Versorgung ist auch das Nicht-Sorgen. Wer sich sorgt, zeigt einen Mangel an Vertrauen gegenüber der Versorgung durch die Seele gerade in kritischen Zeiten.

„Sorget euch nicht!“

„Was werden wir essen? … Womit werden wir uns kleiden? …
Trachtet als erstes nach dem Reich Gottes
[das Bewusstsein der eigenen göttlichen Identität] …,
so wird euch solches alles zufallen.“

„ICH bin gekommen, dass sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“

Wer sich sorgt, hat einen Bewusstseinszustand, der alles andere enthält als die „volle Genüge.“ Man muss schon hart an seiner Gedankenkontrolle arbeiten, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass das bewusst gemachte Prinzip der Versorgung zur Sichtbarmachung führt. Dazu ist es erforderlich, die Sorgegedanken (Mephisto), die uns das Mangelbewusstsein aufzwingen wollen, abzudrängen, indem wir sie durch Füllegedanken der geistigen Versorgung von innen ersetzen. Wenn man es schafft, das Sorgen einzudämmen, bedeutet das, sich mehr und mehr von äußeren Abhängigkeiten gelöst zu haben. Der Mensch ist immer unzufrieden – Adam und Eva lassen grüßen -, und genau das ist die Ursache für seinen Leidensweg.

Dasselbe gilt für das Wünschen, das ebenso einem Mangelbewusstsein entspringt. Wünschen ist das Gegenteil von Einssein; es entspricht nicht dem Prinzip „DEIN Wille geschehe.“

„Solang du nach dem Glücke jagst,
bist du nicht reif zum Glücklichsein,
und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlorenes klagst
und Ziele hast und rastlos bist,
weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
das Glück nicht mehr beim Namen nennst,
dann reicht dir des Geschehens Flut
nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.
(Hermann Hesse: Glück)

Wer z. B. Arbeitslohn nicht erhält, Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers wurde, es mit einem uneinsichtigen Unfallverursacher zu tun hat, einen aggressiven Nachbarn hat, usw., hat die Wahl, ob er einen manchmal monatelangen Streit führt oder seine Unzufriedenheitsgedanken mit Füllebewusstsein kontert, nicht kämpft und die Lösung vertrauensvoll in die Hände seiner Seele legt. Das bedeutet nicht, sich aufs Sofa zu legen und zu warten, sondern man unternimmt Schritt für Schritt alle naheliegenden Maßnahmen, allerdings nur die, die einem die höhere Vernunft eingibt – also ohne Ego, nicht auf Kosten anderer und unter Berücksichtigung des Gesamtwohls. Dann stellt sich der Erfolg ein, manchmal auf ungewöhnliche Weise und oft erst nach langem Warten.

Wenn das grundlegende Prinzip aller Versorgung das Geben ist, befinde ich mich immer dann im Dilemma, wie ich an Versorgung kommen soll, wenn ich scheinbar nichts zu geben habe. Noch schwieriger ist es, sich zum Geben durchzuringen, wenn ich selbst nie etwas bekam. Das ist aber trotz aller Aussichtslosigkeit unkomplizierter, als es aussieht. Denn ich muss für mich klären, was ich trotzdem habe. Und das hat zwei Ebenen: Das erste, was ich habe, ist das Bewusstsein der unerschöpflichen Versorgung im Innern. Das zweite ist, dass ich auf der materiellen Ebene das Prinzip des Gebens kenne. Wenn ich also nur noch 1 Euro habe sind und davon 10 Cent verschenke – und wenn es nur an die Parkuhr der Gemeinde ist -, fängt die Versorgung an zu fließen. Denn das Bewusstsein wird umprogrammiert vom Benötigen aufs Besitzen. Wer also so gut wie nichts hat und dennoch das Prinzip des Gebens anwendet, löst das Fließen auf der Formgebungsebene aus.

In der jüdischen Weisheit ist das in der symbolisch zu verstehenden Geschichte von der Witwe von Zarpat verarbeitet: Elia bittet eine Witwe um Essen und Trinken. Sie antwortet, dass sie außer einer Handvoll Mehl für sie und ihren Sohn nichts habe. Sie bereitet ihm aber trotzdem davonetwas zu. Daraufhin fließen Mehl und Öl immer wieder nach, und es gibt keinen Mangel.

Dasselbe Prinzip (!) zeigt in der christlichen Weisheit die Geschichte der Speisung der 5000. Wenn man gibt, fließt es nach. Das beherrschte aber nur Jesus, denn die von ihm die gespeisten Zuhörer waren am nächsten Tag wieder hungrig, wohingegen er durch die Kenntnis des Prinzips der Versorgung diese ständig generieren konnte.           
Die buddhistische Weisheit lehrt ebenfalls diesen Zusammenhang durch die Geschichte von den Fischen und der Angel:

Willst du einen Hungrigen für einen Tag ernähren, gib ihm einen Fisch. Willst du ihn eine Woche lang ernähren, gib ihm sieben Fische. Willst du ihn für sein ganzes Leben ernähren, gib ihm eine Angel.“

„Von innen her bewegt …
schenkt der Weise aus der Fülle des Alls.“
(Tao Te King 5)

Es geht immer darum, nicht außen zu suchen, sondern das Prinzip innen in Gang zu bringen, d. h. es der Seele zu erlauben, ihre Versorgungskraft zu entfesseln. Dann teilt man, wie besitzlos man auch immer sein mag, mit anderen und setzt das Weiter-geben in Gang, das zum Erhalten führt.

Ich kann Versorgung von mir aus nicht erzeugen, ich besitze sie. Sie wird aber erst aktiv, wenn ich der Geistseele in mir erlaube, sich zu entfalten. ich bin sie innerlich. Die Kirschen des Kirschbaumes sind nicht Versorgung, sondern das Leben im Baum ist die Versorgung, die die Erscheinung seiner Früchte produziert. Es sind weder die Wurzeln noch der Stamm, sondern das Leben. Die Waren im Supermarkt sind auch nicht die Versorgung. Sie sind Ausdruck des Prinzips der Versorgung. Es ist die innere Führung im Produzenten, im Verteiler und im Anbieter, die die Auslagen hervorbringt.

Wer allein ist und sich nach Gefährten sehnt, muss erst mal für andere Gefährte sein, aber ohne den Hintergedanken des Investierens. Dann stellen sich Freunde ein: Wer Freunde haben will, muss als erstes selber Freund sein. Das bedeutet, er besinnt sich darauf, dass er trotz offenkundigen Mangels doch etwas zu geben hat, nämlich die Fähigkeit zum Freund-Sein. Das Echo-Prinzip funktioniert immer: Man erhält, was man ausgesendet hat. Man kann unterm Strich nicht mehr vom Konto abheben als man zuvor eingezahlt hatte. Wer chronisch arm, einsam oder krank ist, neigt dazu, allen möglichen äußeren Umständen die Verantwortung dafür zuzuschieben. Aber man selbst trägt die Verantwortung. Die Menschen wollen aus Unwissenheit immer nur Versorgung, Gesundheit oder Partner haben, aber nicht (genug) geben im Sinne von: Partner sein, andere versorgen oder Gesundheit geben im Sinne von helfen, unterstützen, pflegen, usw. 

Alle Notleidenden sind Menschen, die glauben, sie hätten nichts zu geben oder müssten das bisschen, was sie haben, festhalten. Alle, die in Not sind, haben dieses materielle Verständnis von Versorgung. Sie haben sich abgetrennt von der Quelle und wissen nicht, dass und wie sie die Fülle von innen her zum Ausströmen bringen können.

Wenn Arbeitslosigkeit, Überflutung, Hackerangriff, Wirtschaftskrise, Konkurs, Wohnungseinbruch, Epidemie, Belästigungen, finanzieller Kollaps, usw. eintreten, gehen diejenigen, die im Dialog mit ihrer Seele stehen, unversehrt mitten durch all diese Bedrohungen hindurch wie Mose durchs Rote Meer. Und die Verfolger wie etwa Inkassounternehmen, Grippewellen oder Stalker verschwinden von der Bildfläche.

Das wissen diejenigen, die entsprechende Erfahrungen gemacht haben und durch eine Armada von Gläubigern, Anwälten, Haft- und Strafbefehlen gegangen sind, durch Zeiten ohne Geld, ohne Essen, ohne Freunde, überhaupt in totalem Mangel. Sie haben mit dem Tröster in sich alles überstanden, ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre. Die Gründe für die Rettung sind immer der spirituelle Dialog und die konsequente Befolgung des geistigen Gesetzes der Machtlosigkeit der Bedrohung.

Die Allmacht wirkt stets und durchschlagend nur für die, die sich bewusst unter den „Schirm des Höchsten“ begeben und es zulassen, dass sie zu einem Kanal der Wirkkraft ihrer inneren Führung werden.

Der hohe Preis für die unendliche Fülle ist, jeden Tag meinen Feinden zu ver-geben und Anteile vom Nettoeinkommen – im Geheimen – wegzugeben.

Befindet man sich ohne Kontakt zur Seele in einer existenziellen Krisenlage, führt das allzu oft zu sozialem Absturz, Gewalttat, Raub oder Suizid. Haben wir Kopfschmerzen und konzentrieren wir uns auf sie, so werden wir sie weiterhin haben, weil wir unser Bewusstsein mit dem speisen, was eben gegenwärtig ist. Wenn ich ohne Partner bin und unter dem Bewusstsein der Partnerlosigkeit leide, setzt sich diese fort. Die Kunst ist, aus diesem Bewusstsein auszusteigen. Das geht erfolgreich nur über die Seele. Ich mache mir mein Füllebewusstsein klar, und zwar dadurch, dass ich die Seele habe und damit alles – auch materiell. Ich muss dann aber mit diesem Bewusstsein in die Formgebung gehen, was so viel heißt, dass ich im Bereich meines Mangels durch konkretes Handeln Fülle demonstriere (!), vor allem durch Weg- und Ver-geben.

Dass der Fluss der spirituellen Versorgung dann unerschöpflich ist, wissen die, die das irrige Verständnis, dass Geben arm mache, überwunden haben. Im Märchen wird die unbegrenzte Versorgung in der Geschichte vom „Tischlein deck dich“ ausgedrückt. 

Wie viele Frauen vertun ihr Lebensglück, weil sie den Seitensprung ihres Partners, diesen Vertrauensbruch, aus der Verletzung – ihres Ego – nicht ver-geben können. Wie wenige überwinden diese Ego-Falle und ver-geben durch ihre Seelenkraft. (Trennen kann man sich trotzdem, aber auf einer völlig anderen Basis der inneren Stärke.)

Bei Geldmangel schalten wir um auf Geben.  Wir denken als erstes an die Seele und ihre umfassende Versorgung (von A nach C) und erst dann an den aktuellen Zustand unseres Girokontos. Bei Ehekrisen trachten wir zuerst nach der Seele in uns; dann beobachten wir, wie die Seele ihren Job macht. Sie tritt dann als Impulsgeber für mein Verhalten auf. Im Fall der Trennung erscheint sie dann als das Auftreten derjenigen Partner in unserem Leben, die zu uns passen. Bei beginnender Krankheit gehen wir vielleicht trotzdem in die Firma, weil wir unsere Seele an die erste Stelle setzen und die aktuelle Situation an die zweite. Dann tritt die Seele als der optimale Umstand in Erscheinung, vielleicht als Kollaps, der uns zur Regeneration zwingt, vielleicht aber auch als spontane Gesundung.

Alle Bedrohungen und Gefährdungen sind abhängig vom Zustand unseres Bewusstseins. Ist es spirituell, befinde ich mich mit dem Kontrahenten, dem rücksichtslosen Raser, dem geschäftlichen Konkurrenten, dem Asthmaanfall, dem bösen Nachbarn, dem Wohnungseinbrecher, mithin mit jedem „Feind“, und mit der Allmacht in uns beiden in Einheit. Das bedeutet Harmonie zwischen den Gottessöhnen, gegenseitiges Klarkommen und äußere Sicherheit.

Alles Geben mit dem entsprechenden Echo funktioniert nur auf der Basis von Uneigennützigkeit. Deshalb ist das Prinzip des Gebens innerhalb der Familie als Fürsorge für die Kinder unwirksam, weil diese Fürsorge letztlich eine Egofunktion ist (Arterhaltung des Säugetiers als mittelbare Funktion der Selbsterhaltung).

Der Sinn des Opferns

Das seit Antike und Mittelalter geläufige Opfern blieb und bleibt immer unwirksam, weil es ausschließlich auf einen Versuch der Bestechung der jeweiligen Götter hinauslief – ebenso wie sie anzubetteln. Mangelbewusstsein führt zu mehr Mangel. Fülle beruht auf uneigennützigem Geben.

Diejenigen, die sich bitter beklagen, dass ihre Opfer nicht gebührend gewürdigt wurden, haben sie entwertet, weil sie sie (unbewusst) im Rahmen eines Deals sehen. Opfer aber basiert auf Selbstlosigkeit: Unzählige Beispiele demonstrieren diese Selbstlosigkeit: Gandhi, Jeanne, Mütter, Katastrophenhelfer, die bewusst ihr Leben aufs Spiel setzen, Entwicklungshelfer in Kriegsgebieten, Ärzte ohne Grenzen, usw.

Opfern ist das zentrale Prinzip spirituellen Lebens. Jesus hat das gezeigt. Gandhi hat das gelebt wie es auch unzählige Mütter jeden Tag tun. Opfern ist das Gegenteil des sonstigen alltäglichen menschlichen Lebens, das aus Erlangen, Erreichen, Erkämpfen, Nehmen, sich Vergreifen, Abluchsen, Einstecken, Abjagen, usw. besteht: Statt Weggeben und An-Sich-Nehmen auf Kosten anderer. Es ist ein Stich ins Herz der Goldenen Regel: Dasjenige anderen geben, was man selber gerne hätte, wenn man in deren Lage wäre: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Alle konkreten Opferbeispiele laufen letztlich auf ein weiteres Prinzip hinaus: Es ist das Opfern des Selbstverständnisses und des Lebens als Person, anstatt mit dem Bewusstsein des Ausdrucks der Seelenkraft zu leben.Nur dann kann das Wesen des Menschenhervortreten. Das gewaltige Sinnbild für diesen Zusammenhang ist die Kreuzigung, durch die die Oberfläche (= Person) gelöscht wird. Jesus hat schon vor dem Kreuzesweg ständig versucht, von seiner Person ab- und auf das Wesentliche hinzulenken: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott!“

Die Sonne macht nur eins – spenden, und zwar unendlich. Sie gibt Licht und Wärme, ohne etwas dafür zu verlangen. Dieses Prinzip als Wirkkraft der Seele durch das Individuum – ihren Kanal – zeigen Gandhi, Jesus, Pater Kolbe, die vielen Märtyrer, Mutter Teresa, die Entwicklungshelfer in Kriegsgebieten, Whistleblower, usw.

Das Opfern ist das genaue Gegenteil des Selbsterhaltungstriebes und der wichtigste Inhalt der spirituellen Weisheitsschriften. Es ist trotzdem unbekannt, dass erst über den „Umweg“ des Hingebens die eigene geistige und materielle Fülle grundsätzlich und stabil verwirklicht wird. Deswegen sagt die Bhagavad Gita ohne jede symbolische Verpackung:

„Das Opfer ist der Fülle Quell;
durch Geben nur empfanget ihr!“
(III, 10)

Die hinduistische Weisheit nimmt allerdings eine wichtige Differenzierung vor:
„Höher als Opfer ird’schen Guts
gilt mir deines Herzens Opfer, Held;
weih mir Gedanken, Will’n, Gemüt,
das ist die höchste Opfertat!
(IV,33)

Dadurch spricht sie den Vorrang des geistigen Bewusstseins (christlich: „trachten“) vor allen anderen Beweggründen für das Opfern an. Das Prinzip des Opferns wird hier in aller Deutlichkeit eben nicht als Bestechungsversuch, sondern als dankbare Antwort auf die Gabe der Schöpfung und des individuellen Lebens mit all seinen Herausforderungen und Perspektiven herausgestellt.

„Wer … nicht nach des Opfers Frucht begehrt,
weil’s Opfer Dank an Gott ihm ist,
tut recht und ist ein Wissender.“ …
„Wer nichts vom Gesetz des Opfers weiß, …
der ist ein geistesblinder Tor.“
(XVII, 11, 13)

Das Prinzip des miteinander Existierens aller Lebensformen auf der Erde ist es, dass alle voneinander leben. Jedes Lebewesen ist oder wird letztlich Nahrung für andere. Das gilt für die Muttermilch ebenso wie für die Getreideähren, das Rindfleisch, die Bakterien, die vom Phytoplankton leben oder für die 3000 kg Krillmassen, die der Blauwal täglich frisst. Also 40 Millionen Kleinkrebse verlieren täglich ihr Leben durch einen Blauwal. Junge Blauwale wiederum können Opfer von Schwertwalen werden. Die Biologie spricht dabei von einer „Nahrungskette“, wobei es sich um einen Nahrungskreislauf handelt.  Die Lebewesen nehmen Lebendiges auf und sind ihrerseits Nahrung für andere. Auch die Verbraucher am Ende dieser Kette, auch der Mensch, wird nach dem physischen Tod von Mikroorganismen zersetzt. Oberflächlich bilden diese Abläufe das gängige Prinzip vom „Fressen und Gefressenwerden“ ab.

Spirituell betrachtet handelt es sich aber um ein Opfern, um Selbsthingabe. Das Zebra opfert sich dem Löwenrudel, auch wenn sein Ego das nicht will. Alle Lebewesen befinden sich in diesem Kreislauf. Alle Pflanzen und Tiere sind Bestandteile dieses Prinzips und ergeben sich ihm, auch wenn das Zebra versucht, dem zu widerstehen. Der Mensch hingegen kann sich halbwegs erfolgreich diesem Mit- und Voneinander entziehen, indem er – mit dem intelligenteren Instrument seines Verstandes ausgerüstet – aus seiner Integration in die Abläufe der Natur ausbricht. Sein Ego ist leistungsfähiger als das der Tiere, und deshalb kann er das Opfern ersetzen durch das Raffen unter dem Primat des Selbsterhalts. Er kann mit ausgeklügelten Techniken das Geben durch effektives Nehmen auf fast Null reduzieren, durch Tricks beim Investmentbanking, Betrug, Kinderarbeit, Täuschung der Hersteller durch Produktmanipulation, Unfallfluchten, usw., usw. Er kann andererseits aber auch durch spirituelle Erkenntnis mit eben demselben Verstand sein Leben als Opfer auffassen und in der Hingabe an andere sein Ego opfern und seine Lebensführung der Nächstenliebe derart darbringen, indem er für andere genauso da ist wie für sich selbst; schließlich ist die Alternative zum Selbsterhalt einmal der Nicht-Selbsterhalt der Ego-Software, aber auch der Erhalt der anderen: „…wie dich selbst.“ Indem er die Egoimpulse täglich sterben lässt, leitet er die Opfer, die die Lebewesen ihm erbracht haben, weiter in seinen zwischenmenschlichen Kontext: Das zeigen Gandhi, die unzähligen Märtyrer oder Lebensretter bis hin zu allen, die über die Bevorzugungsliebe hinausgehen und ihre Zuwendung auf alle unterschiedslos ohne Ansehen der Person ausdehnen. Gegenwärtig kann man das besonders gut an den Seenotrettern u. a. in der Nordsee und im Mittelmeer zu sehen. Kommt spirituelles Bewusstsein hinzu, kann der Mensch aus seinem Sonderweg des Nicht-Opferns ganz umkehren und sich in die Vertikale erheben wie der Phönix aus der (Ego-)Asche. Dann ist er aus dem immer wiederkehrenden Leid befreit.

„Das Opfer ist des Alls Gesetz.“
(Bhagavad Gita III,15)